Der Verkehr, der Verkehr… Ein Thema, das wohl jeden und jede in Rapperswil-Jona umtreibt. Grundlage für eine Verbesserung der Verkehrssituation ist das Verständnis der Verkehrsflüsse. Dieses Verständnis zu erreichen, ist gar nicht so einfach. Nicht, weil es eine hochkomplexe Materie wäre, sondern weil es schlicht kaum möglich ist, alle Fahrten des motorisierten Strassenverkehrs zu verfolgen und aufzuzeichnen. Big Data könnte da Abhilfe schaffen…

Verursacht Rapperswil-Jona seinen Verkehr zum grössten Teil selber? Oder ist der Seedamm und die damit verkehrstechnisch günstige (oder ungünstige, je nach Sichtweise) Lage für den Durchgansverkehr Haupttreiber für das grosse Verkehrsaufkommen in der Rosenstadt? Diese Frage steht am Anfang von vielen verkehrstechnischen Überlegungen. Prominentes Beispiel: Wie stark würde ein Stadttunnel zur Verkehrsreduktion in der Stadt beitragen?
Nummernschilderhebung ist aufwändig
Auch 2021 gibt es kaum Möglichkeiten, den Verkehrsfluss auf Knopfdruck umfassend zu analysieren. In der Vergangenheit musste dafür grosses Geschütz aufgefahren werden. Die wichtigste Grundlage für Verkehrsüberlegungen in Rapperswil-Jona bildet eine Nummernschilderhebung aus dem Jahr 2012. An einem Mittwoch, Donnerstag und Samstag im November 2012 wurden an 21 Standorten in Rapperswil-Jona jeweils während 24 Stunden Nummernschilder und Fahrzeugtyp (Auto / Lieferwagen / Lastwagen) erfasst. Die Fahrzeugnummern wurden aus Datenschutzgründen verschlüsselt registriert, so dass kein Rückschluss auf wirkliche Nummer gemacht werden kann. Der Aufwand war beträchtlich, es mussten für wenige Tage an allen Messstellen Kameras über den Strassen installiert werden.
Das Ergebnis aus dieser Messung war eine Liste mit den gefahrenen Routen aller Fahrzeuge an diesen drei Tagen. Damit kann beispielsweise ausgewertet werden, welcher Anteil der Durchgangsverkehr ausmacht, oder zu welcher Tageszeit in der Stadt wieviele Lastwagen unterwegs sind.
Modell anstatt Messung
Eine andere Methode, die städtischen Verkehrsflüsse zu verstehen, ist das “Verkehrsmodell Obersee” von Ernst Basler + Partner. Dieses Modell basiert auf demographischen Daten der Oberseegemeinden und wird immer wieder mit realen Verkehrszählungen kalibriert. Das Schöne an einem Modell ist, dass man damit “spielen” kann. Das heisst, man kann Szenarien ausprobieren, beispielsweise die Schliessung oder den Neubau einer Strasse, und damit die Veränderung des Verkehrsflusses untersuchen. Weiter kann man Auswertungen der Verkehrsflüsse zu beliebigen Zeiten für beliebige Strassen vornehmen inklusive der gefahrenen Route jedes Fahrzeugs. Aber eben, es ist ein Modell, das zwar mit Messungen kalibriert ist, aber es bleibt ein Modell. (Wobei ich grosses Vertrauen in kalibrierte Modelle habe!)
Big Data
In Zukunft könnte sich das Leben der Verkehrsplanerinnen und -planer vereinfachen. Dank der Digitalisierung in der Fahrzeugtechnologie ist es nämlich so, dass moderne Fahrzeuge sowie Navigeräte in regelmässigen Abständen (ca. 10 Sekunden) ihren genauen Standort dem Fahrzeughersteller übermitteln. Diese Tonnen von sogenannten Trip-Daten könnten sinnvoll zur Auswertung von Verkehrsflüssen eingesetzt werden. Und in der Tat gibt es mittlerweile Unternehmen, welche diese Daten von den Fahrzeug- und Naviherstellern sammeln, anonymisieren, aufbereiten, und (gegen Gebühr) zugänglich machen.
Der Vorteil ist, bei der Auswertung weiss man haargenau welcher Fahrzeugtyp um welche Zeit welche Route gefahren ist. Der Nachteil ist, heute werden erst ca. 5 bis 10 % aller Fahrten mit diesen Aufzeichnungen erfasst. Wenn man sich aber auf den Standpunkt stellt, aufgrund der hohen Anzahl Fahrten sei dieser Anteil repräsentativ, werden mit diesen riesigen Datenmengen (Big Data) ganz neue Möglichkeiten geschaffen.
Zwei Firmen, die dieses Geschäftsmodell für sich entdeckt haben, sind Tomtom und Inrix. Beide bieten nicht nur die Daten selbst sondern auch Webtools an (sogenannte SaaS, Software as a Service), mit welchen diese Daten mit wenigen Klicks ausgewertet werden können. Inrix arbeitet dabei mit dem Drittanbieter für GIS-Visualisierungen xyzt.ai zusammen. Alle drei Webtools bieten kostenlose Testabos an.

Bedeutung für Rapperswil-Jona
Die neuen Möglichkeiten mit Big Data sind zweifelsohne eine grosse Hilfe, die kommunalen, regionalen und überregionalen Verkehrsströme zu verstehen. Auch wenn nur von einem kleinen Anteil der Fahrzeuge Trip-Daten vorliegen, so existieren in den Datenbanken doch Tausende von Fahrten innerhalb oder durch Rapperswil-Jona, pro Tag. Damit lassen sich ganz konkrete Fragen beantworten wie beispielsweise: Wohin geht der Verkehr, der vom Seedamm her kommt? In Zukunft wird ganz gewiss der Anteil erfasster Fahrten steigen. Damit ergibt sich mit Big Data neben der Nummernschilderhebung und dem Verkehrsmodell Obersee eine weitere neue Grundlagen zur Planung von Verkehrsprojekten in Rapperswil-Jona.
Sehr interessanter Artikel !
Interessant wäre mal eine angekündigte SPerrung des Seedamms in beiden Richtungen für 1-2 Monate um den Vergleich in den AUfzeichnungen dann zu sehen.
LG
In der Stadt St. Gallen ist 85 % des Verkehrs auf der Stadt-Autobahn Ziel-, Quell- oder Binnenverkehr. (Verkehr nach St. G, von St. G oder von St.G nach St. G)
In Rapperswil dürfte es ähnlich sein. Wer aus dem Kanton in die Innerschweiz fährt, weiss, dass Rappi ein Nadelöhr ist und fährt über die Autobahn (Tuggen Reichenburg etc).
Ein Tunnel unter der Stadt hindurch direkt auf den Seedamm dürfte es kaum bringen. Soviel wollen nicht durch die Stadt hindurch.
Ringförmig angeordnete Parkplätze am Stadtrand mit öV in die Stadt hinein (Zielverkehr) dürften es eher bringen, weil die Leute in die Stadt hinein oder aus der Stadt von Punkt A in die Stadt zu Punkt B wollen. (Binnenverkehr)